"Meine Grabstätte bedeutet mir wenig. Wo immer sie sein mag, was macht es aus. Viele Missionare sind im Magen von Menschenfressern begraben, und die Märtyrer haben als Friedhof den Leib von wilden Tieren." (vgl. Therese in: Céline Martin, Erinnerungen an meine Schwester, 143)

Die Frage der Reliquienverehrung heute ist nicht zu trennen von der Frage nach der Wertigkeit der Heiligenverehrung am Beginn des 21. Jahrhunderts. Abgetrennt würde die Verehrung von Reliquien zu purer Magie und Fetischismus.

Was hat es nun mit der Heiligenverehrung auf sich?

Heilige sind Modelle einer gelungenen christlichen Existenz, und sie stiften dergestalt aus regionalen, beruflichen oder persönlichen ... Motivationen emotionale Nähe. Sie sind Personifikationen von erfüllten Hoffnungen und Sehnsüchten der sie verehrenden Menschen. Anbetung gebührt Gott allein; in den Heiligen aber wird zugleich mit der Person Gott verehrt, dessen Gnade sich im Leben dieses Menschen besonders manifestiert hat. So herrschen nicht mehr die Gesetze der menschlichen Logik, sondern der unbegreiflichen göttlichen Pneumato-logik (!), der Logik aus der Gestaltungskraft des Hl. Geistes. Der Heilige hat seine Berufung an- und in die Hand genommen und gestaltet, nach dem Tod ist sein „Beruf“, die Handlungen der glaubenden Menschen fürbittend in die Ewigkeit zu verlängern. So gehören die Heiligen als Vollendete zum Volk Gottes und begleiten die suchenden, innerlich bereiten Menschen zu Jesus Christus und dem dreifaltigen Gott. Gott fügt sich dazu in die Geschichte der Welt und des einzelnen ein.

Therese kommt zu den Menschen, aber: „Allein von Gott erwarte ich das Lob, das ich verdiene“

Therese will zu den Menschen kommen: „Ich möchte Missionarin sein, nicht nur für einige Jahre, sondern möchte es gewesen sein von Anbeginn der Welt und es bleiben bis ans Ende der Zeiten". (SS 198).

Guy Gaucher, der Bischof von Lisieux, betont: Gott habe viele Liebeszeichen von Therese empfangen, so gefalle es ihm wohl auch, durch ihre sterblichen Überreste seine Liebe den Menschen zu zeigen. So mag sie denen hilfreich sein, die der greifbaren Glaubensvergewisserung bedürfen. Denn im Wesen des Menschen liegt das Bedürfnis nach Greifbarem, Spürbaren, der ihm Kontakt mit und die Partizipation an der Größe des Verehrten schenkt (früher die Heiligen, heute z.B. Sportidole oder Filmstars). Ein Strahl der Gnade Gottes trifft durch die Präsenz des Heiligen hindurch den bittenden, empfänglichen Menschen.

Dies allein darf die Intention der Reliquientour Thereses durch Deutschland sein. Sie selbst verbreitete eine Portion Skepsis zu überschwänglichem Eifer und Kult, wenn sie schreibt: „Welcher Heiliger wird um seiner selbst willen geliebt? Man lobt ihn, man schreibt seine Lebensgeschichte, man veranstaltet für ihn prächtige Feste, an religiösen Feierlichkeiten fehlt es nicht. ... Und schon sehen wir, wie diese Leute, die viel Wind um sich selber machen, einander verärgern, weil nicht alles klappt, oder aber sich freuen, wenn alles ihrem Willen entsprechend läuft. In der Hitze der Vorbereitungen wird geschrieen; es kommt zu Tumult. Dann spricht man von der Orgel, den Predigten ... Und wo bleibt der Heilige?
Was mich betrifft, so bleibe ich lieber im Verborgenen, als halbe Ehre zu genießen. Allein von Gott erwarte ich das Lob, das ich verdiene.“ (vgl. Therese in: Céline Martin, Erinnerungen an meine Schwester ,132)

Dem Heiligen, letztlich dem je größeren Gott, - in Reliquien wie in Menschen - als dem „fascinosum et tremendum“, also dem, was anzieht und berührt, aber gleichzeitig im Inneren erschüttert und den Menschen in verwandelnde Bewegung bringt, diesem Heiligen sollen die Menschen begegnen können.

Maria Ottl



Mit freundlicher Genehmigung der Autorin übernommen aus dem Theresienrundbrief 2/2007 bzw. von Theresienwerk.de .

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