Manchmal müssen wir in einen heftigen Sturm geraten, um zu erkennen, wie sehr wir eine Zuflucht brauchen. (Seite 314)
In einer Dorfschule in Walnut Hill / Nebraska tritt die achtundzwanzigjährige Hannah Robin ihre erste Stelle als Lehrerin an, nachdem sie seit ihrer Jugend für die Erziehung ihrer Geschwister verantwortlich war. doch mit ihren für die damalige Zeit - 1882 - modernen Lehrmethoden macht sie sich nicht nur Freunde, und einer ihrer Schüler setzt alles daran, ihr Schwierigkeiten zu bereiten.
Als ihre vierzehnjährige Schwester Missie auftaucht, wird die Situation nicht einfacher. Zumal da noch der Onkel Joel ihrer Schüler Johnny und Robert ist, an den sie immer wieder denken muß. Doch sie hat sich vorgenommen, nicht zu heiraten. Aber was passiert mit Vorsätzen, wenn sie auf das reale Leben treffen?
Vorbemerkung
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Kommentar / Meine Meinung
Die Autorin ist mir erstmals bewußt begegnet mit ihren Mennoniten-Romanen. Da ich aber nicht gleich mit einer Trilogie beginnen wollte, habe ich zunächst nach diesem Buch gegriffen, was mir - bedenkt man die Zeit, in der das spielt - als eine Mischung aus „historical romance“ und „Western“ erschien. Nun, Westernelemente gibt es eigentlich keine, sieht man von den für die damalige Zeit typischen Farmen oder Städtchen ab, aber das hatte ich auch nicht so wirklich erwartet. Es war mein erstes Buch der Autorin und auf jeden Fall ein gelungener Einstieg in die Welt ihrer Bücher.
Die Übersetzung scheint mir gut gelungen, denn meist hatte ich das Gefühl, einen deutschen Originaltext zu lesen. (Und genau solches soll eine Übersetzung meiner Meinung nach vermitteln). Nur an manchen Stellen schien die amerikanische Urversion durch. Verändert wurden, wie wohl oft in deutschen Ausgaben, die Namen der Figuren, zumindest die Hauptfigur heißt eigentlich Edythe Amsel. Aber ich gebe zu, daß sich „Hannah Robin“ im Deutschen deutlich leichter liest.
Ich hatte es relativ leicht, ins Buch bzw. die Geschichte hineinzukommen, hat es mich - was die Beschreibung der Schule und so manchen Verhaltens der Eltern betrifft - an Catherine Marshalls „Christy“ erinnert. Das spielt zwar rund dreißig Jahre später in den Appalachen, aber so sehr viel scheint sich auf dem Land nicht verändert zu haben.
Ein Thema, das sich durch das gesamte Buch hindurch zieht, ist das Gottvertrauen. Hannahs Mutter ist früh gestorben, durch die Unfähigkeit des Vaters haben sie ihre Farm verloren, der darob in Melancholie und Untätigkeit versunken ist. So war sie mit vierzehn gezwungen, die Rolle der Mutter für ihre jüngeren Geschwister zu übernehmen. Jetzt, mit achtundzwanzig, möchte sie ihr eigenes Leben leben und hat sich den Wunsch erfüllt, als Lehrerin tätig zu sein. Doch Missie, die vierzehnjährige Schwester ist damit so gar nicht einverstanden, und taucht eines Tages in Walnut Hill auf. Zum Glück nimmt Hannahs Vermieterin Luthenia auch die Schwester auf; die Probleme, die sie verursacht und ihre Ansichten passen so richtig zu einem Teenager in dem Alter.
Nicht gerade leicht hat es Hannah durch ihre - für damals - modernen Lehrmethoden, die auf körperliche Strafen verzichtet. Und als sie den Kindern mehr als bloß Rechnen, Schreiben und Lesen beibringen will, erntet sie erst recht Widerstand bei dem Teil der Bevölkerung, der nicht einsieht, daß ein Farmer - oder ein Mädchen - mehr als ein paar Grundkenntnisse haben muß.
Da Hannah schon eine ganze Kinderschar großgezogen hat, ist sie nicht sehr motiviert, gleich wieder damit zu beginnen, weswegen die jeden Verehrer abweist und sich vorgenommen hat, nicht zu heiraten. Dumm nur, daß Verstand und Gefühl manchmal unterschiedliche Wege gehen, und so merken wir Leser noch vor Hannah selbst, daß sie drauf und dran ist, sich gegen ihren Vorsatz zu verlieben. In Joel, einen alleinstehenden Farmer, der seine beiden Neffen nach dem Tod von deren Eltern zu sich genommen hat.
Die vorsichtige Annäherung der beiden war für meine Begriffe sehr glaubwürdig beschrieben, vor allem, wenn man daran denkt, daß wir das Jahr 1882/1883 schreiben. Da ging das alles nicht so schnell. Auch das verstandesmäßige sich Wehren von Hannah war gut nachvollziehbar. Ich habe sie förmlich vor mir gesehen und mich immer wieder gefragt, wann sie sich denn endlich eingesteht, daß ihre schöne Theorie in der Praxis nicht standhält. [ Und schütteln hätte ich sie mögen, als sie - nachdem sie Joel deutlich expressis verbis zu verstehen gegeben hatte, daß sie ihn nicht heiraten würde - tatsächlich so etwas wie Eifersucht entwickelte, als der sich einer anderen zuwandte. Ja mein Gott, was hätte er denn tun sollen? ]
Wie erwähnt, taucht das Thema „Gottvertrauen“ immer wieder auf. Hannah hat durch ihr bisher nicht gerade leichtes Leben gelernt, sich vor allem auf sich selbst zu verlassen, und nicht auf andere oder gar Gott. Sie will alles möglichst unter Kontrolle haben; auch das, was nicht kontrollierbar ist. Es ist ihre Vermieterin (und Freundin) Luthenia, die immer wieder darauf hinweist, daß sie loslassen und sich Gottes Führung anvertrauen soll. Hannah ist, vielleicht etwas unüblich (oder wieder doch?) fürs Genre, nicht die Frau, die ständig betet oder Gott mehr vertraut als sich selbst. Und es wird, da mit spoilere ich gewißlich nichts, denn das ist zu erwarten, eines recht einschneidenden Erlebnisses bedürfen, um zu ihr durchzudringen. Und auch das schien mir sehr realistisch, kam ohne jede „Magie“ oder „übernatürliches Wirken“ aus, und dennoch konnte ich nachvollziehen, daß dies zu einem Wendepunkt in Hannahs Leben und Einstellung wurde.
Ein weiteres Thema ist das Frauenwahlrecht, welches es damals noch nicht gab, und für das Hannah beginnt sich einzusetzen. Auch da auf nachvollziehbare und logische Weise ins Buch eingeführt. Ich habe mich höchstens gewundert, weshalb sie nicht über ihre Motive mehr gesprochen hat.
Insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen. Die Figuren wurden recht lebendig, ich habe sie vor meinem geistigen Auge gesehen und konnte Handlungs- wie Denkweisen gut nachvollziehen. Auch das Ende kam nicht überraschend schnell, sondern das Erzähltempo wurde bis zum Schluß gleichermaßen durchgehalten. Sicherlich das richtige Buch zum Einstieg in die Werke der Autorin, weitere stehen schon in meinem Regal und werden bald gelesen.
Kurzfassung
In einer Kleinstadt in Nebraska tritt Hannah Robin ihre erste Stelle als Lehrerin an. In ruhiger Sprache erleben wir ihr erstes Jahr mit all seinen Problemen und Herausforderungen. Ein Buch zum Nachdenken und zum Wohlfühlen.