„Also wenn es einen [Gott] gibt, dann gleicht er meinem Vater aufs Haar. Sie sind beide reich, mächtig und kommandieren die Leute gerne herum wie Figuren auf einem Schachbrett. Keiner von beiden hat mir besonders viel Liebe entgegengebracht, und die Entscheidungen, die sie für mich getroffen haben, dienten stets ihren eigenen Interessen, nicht meinen. Zusammen haben sie mein Leben ruiniert.“ (Helen, Seite 11f)

Cover: Rhapsodie der FreundschaftZum Inhalt

Michigan 1941. Vier Frauen, die unterschiedlicher kaum sein könnten:
Virginia ist mit Leib und Seele Hausfrau und Mutter. Doch sie sehnt sich nach Anerkennung ihrer Arbeit durch ihre Familie. Die frisch verheiratete Rosa will der Mißbilligung ihrer Schwiegereltern entkommen. Doch was soll die lebenslustige New Yorkerin ohne ihren Mann in der Einöde des Westens mit sich anfangen? Helen leidet unter ihrer Einsamkeit als alleinstehende, ältere Frau. Ihr Reichtum kann ihr nicht das geben, wonach sie sich sehnt. Jean, die Jüngste, träumt davon zu studieren und mehr aus ihrem Leben zu machen. Muß sie dafür auf eine eigene Familie verzichten?
Der Angriff auf Pearl Harbor erschüttert die Lebensentwürfe der Frauen. Ihre Arbeit in einer Schiffswerft führt sie zusammen. Mit der Zeit wird dem ungleichen Quartett bewußt, daß sie trotz aller Unterschiede einander viel Kraft und Hoffnung schenken können - als Freundinnen. So gewinnen sie wertvolle Erkenntnisse über sich selbst, das Leben, die Liebe und den Glauben.

 

 

Vorbemerkung

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Kommentar / Meine Meinung


Wie fange ich eine Rezension an, wie schreibe ich überhaupt eine Vorstellung zu einem Buch, das mich zum lauten Auflachen wie zum bitteren Weinen gebracht hat.

Gleichzeitig.

Virginia, die treusorgende Mutter und Hausfrau, die so gut funktioniert, daß sie nur noch wahrgenommen wird, wenn sie nicht funktioniert.

Rosa, die heißblütige Italienerin, frisch mit Dirk verheiratet. Solange er beim Militär ist, wohnt sie bei ihren ihr bis dato unbekannten strengen und sehr frommen Schwiegereltern.

Helen, die ehemalige Lehrerin aus bestem Hause, reich aber einsam.

Jean, die achtzehnjährige junge Frau mit ihren 17 Geschwistern, wohnt bei ihrer Schwester, solange deren Mann im Krieg ist.

Was haben diese vier gemeinsam, was verbindet sie? Nichts - bis zu jenem verhängnisvollen 7. Dezember 1941, in dessen Morgenstunden der Angriff auf Pearl Harbor stattfand und die USA offiziell in den Krieg eintraten. Ein Ereignis, das nicht nur die Weltgeschichte, sondern auch das Leben der vier Frauen (und deren Familien) für immer verändern sollte.

Denn kurze Zeit später finden sich diese vier in der Werft in einer Gruppe als Elektrikerinnen vereint, um Landungsboote zu verkabeln. Eben jene, die später bei der Landung in der Normandie zum Einsatz kommen werden. So handelt das Buch von „kleinen“ wie von „großen" Dingen und Ereignissen; wie diese ineinander verwoben sind, sich gegenseitig bedingen und voneinander abhängig sind. Von „kleinen“ Dingen wie dem Zurechtfinden der Vier in einer für sie völlig ungewohnten Umgebung und Tätigkeit und „großen“ Dingen wie etwa dem Rassismus oder überkommenen gesellschaftlichen Vorstellungen und Zwängen.

Überhaupt war ich nicht unbedingt auf die Spannweite dessen, was die Autorin in diesem Buch verarbeitet hat, vorbereitet. Nur auf drei Dinge will ich näher eingehen.

Das Buch setzt keine zwanzig Jahre vor meiner Geburt ein, das heißt die (gesellschaftliche) Welt, die beschrieben ist, ist von der, in welche ich hineingeboren wurde, zeitlich gesehen nicht weit entfernt. Das gehört zu den größten Schockerlebnissen, die ich beim Lesen dieses Buches hatte. Etwa diese klare Rollenverteilung zwischen Mann und Frau oder dieses strenge biblische „der Mann ist das Oberhaupt der Familie“ ist mir in dieser Deutlichkeit noch nie so drastisch vor Augen geführt worden. Erst (und erstmals überhaupt) durch das Lesen dieses Buches ist mir auch nur ansatzweise bewußt geworden, was für ein tiefgreifender Einschnitt der Zweite Weltkrieg in der Entwicklung bedeutet hat; ich meine jetzt nicht die militärische oder politische Sichtweise, sondern für das gesellschaftliche Leben, die gesellschaftliche Entwicklung. Danach konnte es tatsächlich nie wieder so sein wie vorher. Frauen, die jahrelang erfolgreich Schiffe gebaut hatten, konnte man nicht per Kommando zurück an den Herd beordern. Der Beweis war erbracht, daß sie eben nicht das „schwache Geschlecht“ sind, sondern den Männern an Können und Fähigkeiten nicht nachstehen.

„Warum gibt es in der Welt so viel Hass, Harold? Hier in Stockton gibt es Rassismus, in Deutschland hassen sie die Juden, und die Leute an der Westküste wenden sich gegen japanischstämmige Amerikaner.“ (Seite 337) Diese Liste ließe sich sehr einfach noch erheblich erweitern und führt zum zweiten großen Thema des Buches: dem Rassismus. Ganz langsam taucht die Problematik am Horizont auf, wird deutlicher und drängender, um sich schließlich in einer Katastrophe zu entladen. Ich habe noch dunkle Erinnerungen an meine Kindheit, als in den Nachrichten Bilder von Rassenunruhen in den USA gezeigt wurden. Wenn diese Masse - wie hier - sich in Einzelschicksale auflöst, wird erst deutlich und begreifbar, worum es wirklich geht. Und für mich das Verhalten jener Verbrecher, die sich Rassisten nennen (bzw. sind), um so unverständlicher.

Schließlich kristallisiert sich immer mehr ein weiteres großes Thema des Romans heraus: die Theodizee-Frage, oder vereinfacht gesagt: wie kann ein guter Gott so viel Leid zulassen? Ich möchte das jetzt nicht näher ausführen, das kann Lynn Austin um Längen besser als ich. Nur eines sei erwähnt: ich habe aus diesem Buch wesentlich mehr über diese Problematik gelernt, als aus etlichen Sachbüchern dazu zuvor. Gut zusammengefaßt in den Erklärungen von Jeans Mutter:
„Gott zu vertrauen bedeutet nicht, darauf zu vertrauen, dass er nie etwas Schlimmes geschehen lässt“, erklärte Jeans Mutter ihr. „Es bedeutet, dass wir seiner Liebe vertrauen können, was auch immer geschieht.“
(...)
Ich glaube, dass er meine Gebete hört, wenn ich bete. Auch wenn er sie nicht so beantwortet, wie ich es möchte, glaube ich noch an seine Liebe.“ (Seite 425)


Was mich noch daran erinnert zu erwähnen, daß es sich um das Buch einer christlichen Autorin handelt. Gott und Glaube spielen, vor allem im letzten Drittel, eine erhebliche Rolle. So sind manche (persönliche) Entwicklungen sind vielleicht etwas vorhersehbar, oder Personen wie etwa Earl Seaborn ein durch und durch guter Mensch. Einseitig, kantenlos? Ich habe es nicht so emfpunden. Die geradlinige Personenführung erleichtert (für mich) die Auseinandersetzung mit den „Sachthemen“ und macht diese deutlicher und verständlicher. Obwohl, wenn ich etwa an Rosas Schwiegereltern denke, ist es letztlich vielleicht doch nicht so geradlinig ...

Geschrieben ist das Buch abwechselnd aus vier verschiedenen Perspektiven, nämlich aus denen der oben schon erwähnten Protagonistinnen. Das ist zwar bisweilen etwas anstrengend, gibt jedoch einen guten Einblick in die Persönlichkeiten und Denkweisen. Vor allem enthüllt sich auf diese Weise nur sehr langsam die ganze tragische Geschichte von Helen. Als schließlich der Brief von Jimmy in voller Länge zitiert wurde, mußte ich das Buch erst mal für einige Minuten zur Seite legen.

Etwas ungewohnt, zumindest für mich, war die rein amerikanische Sichtweise auf die Ereignisse der Zeit. Oder zu lesen, was der Krieg für das Leben der einfachen Amerikaner bedeutete. Trotz der Größe des Landes gab es auch dort Rationierung und sonstige kriegsbedingte Einschränkungen, nicht so drastisch wie es in Deutschland wohl war, aber dennoch.

Die letzten einhundertfünfzig Seiten konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Als ich durch war, befiel mich eine gewisse Traurigkeit, daß ich die mir lieb gewordenen Protagonisten nun für immer verlassen und ihr Leben leben lassen muß. Gleichzeitig hat mich auch dieses Lynn Austin Buch innerlich tief ruhig und zufrieden zurückgelassen. Wie selten ein Werk zuvor hat es mir die Unsinnigkeit des Krieges vor Augen geführt und die vielleicht einzig mögliche Überwindung des Hasses; nämlich [durch die Art, wie Helen Kimball und Meinhard Kessler sich letztlich miteinander ausgesöhnt haben. „Ich habe gelernt, dass der einzig gangbare Weg der ist, den wir beide gegangen sind - einander um Vergebung zu bitten und unser Leben jeder für sich wieder aufzubauen.“ (Seite 448)]

Schließen möchte ich mit einem Ausspruch von Earl, der einen weiteren Aspekt dieses Buches wunderbar zusammenfaßt:

„Es ist wunderbar, Pläne zu haben, Jean, aber vergiss nicht, im Jetzt zu leben. Es ist ein Fehler, das Heute zu übersehen, weil du immerzu in die Zukunft blickst oder in die Vergangenheit. Wenn wir uns immer die Zukunft oder die Vergangenheit herbeiwünschen, verpassen wir die Gegenwart. Außerdem haben Pläne es so an sich, dass sie gegen unseren Willen geändert werden.“ (Seite 402)


Mein Fazit

Ich bin noch zu sehr mitgenommen, als daß ich meine Eindrücke in einem Satz unterbringen könnte. Vielleicht so: eines der besten Bücher mit schwierigem thematischen Inhalt, das ich je gelesen habe.

 

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