"Wäre es nicht auch möglich, daß die eigensinnige Joanna Steinman im Unrecht ist?(Seite 78)

 

Cover: Wohin der Wind uns trägtZum Inhalt

Im Jahre 1847 machen sich fünf Geschwister Steinman auf den Weg von South Caroloina nach Oregon, die Schwester Denise bleibt zurück und heiratet. Während der Treck nach Westen mehr oder weniger aufregend verläuft und die Reisenden bisweilen näher zueinander bringt, als zu Beginn erwartet, kommen die Zurückgebliebenen einer Intrige auf die Spur, die ihre dunklen Ausläufer bis hin zu den Reisenden streckt und ihnen gefährlich werden könnte. Denn zuhause zeigt der Ehemann von Denise nach der Hochzeit sein wahres Gesicht. Währenddessen unterwegs die aufbrausende Joanna immer wieder mit dem eher ruhigen Alec aneinander gerät.

 

Kommentar / Meine Meinung

Eher ein richtiger Western oder eher ein richtiges Büchle Buch. Das habe ich mich, wenn ich ehrlich bin, vor Lesebeginn gefragt. Jetzt, nachdem ich das Buch innerhalb von vier Tagen durchgelesen habe, kann ich mit ruhigem Gewissen sagen: beides trifft zu. Ein richtiger Western, mit einem gehörigen Schuß Humor, geschrieben von Elisabeth Büchle.

Wobei klar ist, daß die Autorin Wert auf andere Dinge legt, als es etwa Charles G. West in seinen Büchern tut. Geht es bei ihm eher um eine klare, harte, schnörkellose Handlung, hat man es bei Elisabeth Büchle mit einem Schmöker zu tun, der weit mehr als rauchende Colts und einen abschließenden Showdown aufzuweisen hat. Wenngleich der ein oder andere Colt oder auch Kampf durchaus in dem Buch zu finden sind. Schließlich befinden wir uns über weite Strecken im „Wilden Westen“, da ging es nicht so gesittet zu wie im zivilisierten Osten. Obwohl - so sicher wäre ich mir da nicht, ob diese Beschreibung denn wirklich völlig zutrifft. Auf den Westen wie auch auf den Osten.

Das war mein viertes Buch der Autorin, und wieder hat sie es geschafft, mich völlig in den Bann ihrer Geschichte zu ziehen. Dabei ist ein Treck nach Oregon nun wahrlich keine neue Idee, zahllose Bücher und Filme haben das zum Thema. Und dennoch hebt sich dieses Buch deutlich - positiv - davon ab. Sicher spielt, Verlag wie Autorin legen das nahe, das Thema Religion eine Rolle. Aber nicht aufdringlich-missionarisch, wie mir das gerade in einem anderen Buch begegnet ist, sondern eher dezent-normal. Es ist einfach so, daß das Thema Religion früher bei den Menschen eine größere Rolle spielte als heute. Das wird oft einfach ausgeblendet und man stellt die Figuren in Filmen wie Büchern als „religionslos“ dar. Das ist hier nicht so. Die Menschen haben ihren Glauben, manche mehr, manche weniger, sehen ihn als ganz normalen Teil ihres Denkens und Lebens an, und reden und handeln danach. Ich habe das als überhaupt nicht aufdringlich, sondern als sehr realitätsnah an der Wirklichkeit der damaligen Menschen empfunden.

Die Figuren, soweit sie größere Rollen spielen, sind recht plastisch gezeichnet; ich konnte sie mir gut vorstellen, während sie in meinem Kopf zum Leben erwachten. Lediglich manche vom Treck, die nur selten vorkamen, blieben etwas blaß. Dafür geben Joanna Steinman und Alec Thompson ein wunderbar sich dauernd streitendes Paar ab, das für etliche Lacher gut ist. Ein Personenregister wäre nicht verkehrt gewesen, denn zwischendurch war es etwas unübersichtlich. Und wenn ich schon dabei bin: eine Skizze vom Oregon-Trail auf dem Vorsatz (ich habe die HC-Ausgabe gelesen) hätte nicht nur das Buch verziert, sondern man hätte den Weg mitverfolgen können.

Die Handlung entwickelt sich parallel an zwei Schauplätzen: da ist der Distrikt Bamberg in South Carolina, von dem aus die Steinman-Geschwister aufbrechen. Eine Schwester, Denise, bleibt zurück, weil sie geheiratet hat; sie wollte den Süden nicht verlassen. Und Joannas Freundin Linda wohnt natürlich weiterhin zuhause. Letztere kommt nach und nach einer bösen Intrige auf die Spur, die für Denise und sie selbst, aber auch für Joanna lebensgefährlich werden könnte.

Diese wiederum ist inzwischen hunderte von Meilen entfernt auf dem Weg nach Westen. Mit dem schon erwähnten Alec ist sie - zur Freude der Leser - in einer Art Dauerclinch, der für etliche Schmunzler und Lacher gut ist. Ähnliche „Paarungen“ sind mir schon in den anderen Büchle-Büchern aufgefallen. Die Autorin schrieb dazu: „Es soll kein Markenzeichen von mir werden, aber ich komme einfach nicht darum herum, meinen weiblichen Figuren ein bisschen "Pfiff" mit auf den Weg zu geben.“ Und da jede einen etwas anderen „Pfiff“ hat, macht es immer wieder Spaß, das zu lesen. Auch mehrmals.

Dabei verschließt die Autorin nicht die Augen vor den harten Realitäten der damaligen Zeit. Nicht alle, die auf die Reise gehen, werden diese auch beenden; Krankheit und andere Unbilden fordern ihren Tribut. Sehr anschaulich beschrieben werden die Probleme, die das Wetter bereiten kann. Etwas, was uns heutigen oft nicht mehr präsent und dennoch genauso gefährlich wie damals ist, man denke nur an die drei Gewittertoten durch Blitzschlag dieses Jahr hier in Nordhessen, davon eine Frau in Bad Hersfeld. Interessant fand ich die Begegnung mit den Indianern, die sich zu der Zeit wohl so oder so ähnlich zugetragen haben dürfte. Auch die Sklaverei spielt notwendigerweise eine Rolle.

Was mir beim Lesen erstmals überhaupt bewußt wurde ist, daß die Menschen damals nicht so einfach mal schnell miteinander kommunizieren konnten. Das war vor der Zeit des Pony-Express, und lange vor Telegrafenverbindungen. Wenn man unterwegs die Kenntnis von Gefahren der Zurückgebliebenen erhielt, gab es praktisch keine Möglichkeit, diese zu warnen oder ihnen zu helfen. Oder umgekehrt. Eine solche Reise war buchstäblich eine ins Ungewisse. Eigentlich selbstverständlich, ist mir das durch die geschickte Erzählweise, die zwischen den beiden Handlungssträngen hin und her wechselt, erst richtig bewußt geworden.

Ernst und Heiterkeit (für die sind meist Joanna und Alec zuständig), zwischen Handlung und Beschreibung, Spannung und Entspannung sind - wie in den anderen Büchern der Autorin, die ich gelesen habe - perfekt ausbalanciert und formen ein rundes Ganzes. Am Ende schafft es die Autorin, noch auf der letzten Seite eine Überraschung unterzubringen. Schade, daß das dann wirklich die letzte Seite ist; gerne hätte ich die Protagonisten auf ihrem weiteren Weg begleitet. Aber wer weiß, vielleicht kehrt die Autorin eines Tages in den Wilden Westen zurück und berichtet von den ferneren Abenteuern all der liebgewordenen Figuren. Bis dahin hilft nur, das Buch nochmals zu lesen. Was ich sicherlich bald tun werde.

 

Kurzfassung

Ein Buch das zeigt, daß auch im „Wilden Westen“ ganz normale Menschen lebten. Ein spannender und unterhaltsamer Roman, der einen Einblick in die Pionierzeit der USA gibt.

 

 

Über die Autorin

Elisabeth Büchle wurde 1969 in Trossingen geboren und absolvierte sowohl eine Ausbildung zur Bürokauffrau als auch zur Altenpflegerin. Sie wohnt mit ihrem Mann und den fünf Kindern im süddeutschen Raum.

 

Bibliographische Angaben

576 Seiten, kartoniert Verlag: Gerth Medien GmbH, Aßlar, 3. Auflage 2012
Gelesen habe ich die Hardcover-Ausgabe

Eine Aufstellung aller Bücher von Elisabeth Büchle finden Sie hier: Büchle, Elisabeth und ihre Bücher

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