„Und ja, ich habe manchmal den Wunsch, mich zu wehren. Doch manchmal braucht es genauso viel Stärke, sich nicht zu wehren. Anzuhalten und trotzdem nicht aufzugeben. Und manchmal bedeutet kämpfen genau das." (Seite 92)

 

Cover: Die stillen Wasser von AmberleyZum Inhalt

Julia hat sich vor kurzem von ihrem Mann getrennt. Da der die Kinder nicht, wie versprochen, in den Ferien nehmen kann, reist sie kurzerhand mit ihnen auf Recherchereise nach England zum Bruderhof bei Amberley, wo sie für zwei Wochen leben und arbeiten will.
Durch einen ungeklärten Todesfall eines Deutschen hat ihr Mann, der Polizeibeamter ist, in der Nähe zu tun. Da eine Spur auf den Bruderhof führt, haben sie zwangweise immer wieder Kontakt. Aber kann die Innenansicht, die Julia gewonnen hat, bei der Lösung des Falles helfen und was bedeutet der dauernde Kontakt für ihre anscheinend gescheiterte Ehe?

 

 

Kommentar / Meine Meinung

Vor einiger Zeit habe ich den Debutroman „Eine Villa in Bella Colina“ der Autorin gelesen, den ich in recht guter Erinnerung behalten habe. Als nun ihr zweites Buch erschien und zudem zum großen Teil auf einem Bruderhof spielt, habe ich es sehr bald nach Erscheinen gelesen.

Vor ziemlich vielen Jahren hatte ich einmal mehr indirekten Kontakt zur Bruderhofgemeinde und war darob gespannt auf die Darstellung hier im Buch, zumal der Buchrückentext eine Art Krimi versprach, was ich mir in der Umgebung so gar nicht vorstellen konnte. Aber dieser Handlungsstrang ist dermaßen geschickt und „unauffällig“ gestaltet, daß es einfach paßt und mich zunehmend gefragt habe, ob da wirklich etwas an den Vorwürfen dran ist und wie das sein kann, weil es überhaupt nicht zur Bruderhofgemeinde paßt.

Doch der Roman beginnt in Deutschland mit der Schilderung der Alltagsprobleme, die sich für eine alleinerziehende Mutter nach der Trennung vom Ehemann auftun. Sehr deutlich zeigt die Autorin die Schwierigkeiten auf, die entstehen, will bzw. muß man Beruf und Kinder unter einen Hut bringen. Als schließlich ihr getrennt lebender Ehemann mit den Kindern nicht wie versprochen in den Ferien verreist, muß sie sie gezwungenermaßen mit auf ihre Dienstreise nach England nehmen. Sie soll für zwei Wochen auf dem Bruderhof in Amberley leben und mitarbeiten, um für eine Reportage zu recherchieren. Sinnigerweise hat ihr Mann nur wenige Kilometer entfernt zu tun; er ist zur Unterstützung der einheimischen Polizei, die den Tod eines Deutschen untersucht, dorthin abgeordnet worden. Eine Spur führt auf den Bruderhof, auf dem seine Frau Julia zu der Zeit lebt. So bleibt es nicht aus, daß sie sich immer wieder begegnen.

Zu dem Kriminalfall schreibe ich hier weiter nichts, außer daß es im Verlauf des Buches zwar einige Hinweise auf die Auflösung gab, mich diese am Ende jedoch weitgehend überrascht hat. Man merkt, daß die Autorin gut recherchiert hat. Dies gilt auch in Bezug auf die Bruderhofgemeinde, deren Leben sehr gut beschrieben wird. Manchem Leser mögen die vielen Informationen, die die Autorin ins Buch gepackt hat, vielleicht zu viel sein, ich fand es gut so, weil es mir half, ein recht vollständiges und dreidimensionales Bild entstehen zu lassen.

Julia wohnt mit den Kindern zu Gast bei Rachel, ihrem Mann Brian und deren Kindern. Da prallen dann zwei völlig verschiedene Welten aufeinander. Zwar finden moderne Dinge und Technik sehr wohl Anwendung, aber etwa einfach so in die Stadt fahren, gucken und etwas kaufen, was man nicht unbedingt braucht, gibt es nicht. Auch das etwas andere Eheverständnis kommt mehr oder weniger zwangsläufig zur Sprache, da die Trennung Julias von ihrem Mann noch nicht so lange her ist und Rachel das Thema ganz anders sieht als Julia. Gerade die Diskussionen dazu, zu Partnerschaft überhaupt, gehören für mich zu den stärksten Teilen im Buch. Was möglicherweise auch damit zusammenhängt, daß das Eheverständnis sehr nahe am katholischen ist, nur daß es hier nicht dogmenähnlich, sondern ganz praktisch erklärt wird.

Julias Sicht der Dinge wird durch die Konfrontation mit einer anderen Auffassung infrage gestellt; sie muß ihre eigene Position hinterfragen und neu überdenken. Ich fand dies sehr glaubhaft und nachvollziehbar im Buch beschrieben.

Ein weiteres Thema ist natürlicherweise die Vergebung. Die Bruderhofgemeinde ist eine pazifistische, die Gewalt in jeglicher Form ablehnt, womit sie an die Amish erinnert. „Wir versuchen einfach zu leben, was wir glauben. Jeder von uns braucht Vergebung. Und durch Jesus bekommen wir sie. Weil mir vergeben wurde, kann ich auch vergeben. Den Rest darf ich getrost Gott überlassen.“, heißt es auf Seite 224. Damit wird die Grundeinstellung und der Grundkonflikt, welche im Verlauf des Buches immer wieder mit der „Welt da draußen“ konfrontiert werden, sehr gut umschrieben.

Ich konnte mich beim Lesen sehr gut in die beschriebene Welt einfühlen, die Figuren erwachten zum Leben und ich hatte mehr als ein Mal das Gefühl, selbst mitten dabei zu sein. Innerlich ruhig, aber mit einer gewissen Wehmut, all die neu gewonnenen Freunde nun verlassen zu müssen, habe ich das Buch schließlich geschlossen und hoffe, daß möglichst bald wieder ein Buch der Autorin, die es geschickt versteht, ernste Themen in einem Unterhaltungsroman unterzubringen, erscheint.

 

Kurzfassung

Wieder gelingt es der Autorin, ernste Themen in einem spannenden Roman unterzubringen, und so nicht nur gut zu unterhalten, sondern auch Denkanstöße fürs tägliche Leben zu liefern.

 

 

Über die Autorin

Dorothée Heck ist Fremdsprachenkorrespondentin und lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in Ludwigshafen. Dies ist ihr zweites Buch.

Bibliographische Angaben

253 Seiten, kartoniert. Verlag: SCM Hänssler, Holzgerlingen 2014

Cookies erleichtern bzw. ermöglichen die Bereitstellung unserer Dienste. (Bei der Nichtannahme von Cookies kann die Funktionsfähigkeit der Website eingeschränkt sein.)