Hoffnung geschieht jetzt. Sie ist der stetige Blick auf das Hauptsächliche, wenn es noch von Nebensächlichkeiten verdeckt ist. (Seite 273)

 

Cover: Das Haus der GeschichtenZum Inhalt

Marvin Heider lebt alleine in Berlin und erhält eines Tages die Stelle als Gehilfe eines etwas sonderbaren älteren Herrn in dessen Antiquariat. Dort gibt es nicht nur Unmengen von Büchern, sondern auch eine „narratorische Apotheke“ - eine Sammlung von Geschichten, die als Medizin bei Krankheiten wie „stark reduzierter Imagination“, „partiellen Vertrauensdefiziten“, „geistlicher Hörsturz“ oder ähnlich kompliziert klingenden Krankheiten helfen sollen.
Marvin war, als er das erfuhr, genauso erstaunt wie der geneigte Leser dieser Zeilen, und für beide wird es ein ganz besonderes Erlebnis herauszufinden, was es mit dieser narratorischen Apotheke denn auf sich hat. Bei dieser Suche spielen übrigens auch eine Katze namens Poseidon sowie Linnéa, die Enkelin des Antiquars, eine gewisse Rolle. Aber mehr sei an dieser Stelle nicht verraten.

 

Kommentar / Meine Meinung

„Das Buch macht mir die Rezi nicht einfach.“ So habe ich meine Rezi zum zweiten Buch des Autors („Das Tagebuch“) begonnen, und genau so könnte ich auch diese beginnen. Innerhalb kurzer Zeit habe ich „Das Haus der Geschichten“ durchgelesen, konnte es kaum aus der Hand legen, stehe jetzt noch ganz unter dem Bann des Gelesenen und kann es noch immer nicht so richtig glauben, daß dies ein Debutroman ist, so „rund“ und ausgereift empfand ich dieses Buch.

Die „Medizin“, die im Verlauf der Handlung so manchem „Patienten“ des Antiquars in Form Geschichten „verordnet“ wurde, entfaltet eine seltsame Wirkung aus der Welt des Buches in die, welche wir gewöhnlich die reale zu nennen pflegen, hinein und ich frage mich unwillkürlich, von welchen „Krankheiten“ sie mich denn wohl heilen wird. Denn wie sonst ließe sich diese ruhige Nachdenklichkeit, in der mich die Lektüre zurückgelassen hat, erklären?

Thomas Franke ist die Balance gelungen, ein leicht zu lesendes Buch zu einem schwierigen Thema zu schreiben. Die Seiten flogen nur so dahin, immer wieder habe ich bewußt den Lesefluß gebremst, um nicht die vielen Details und Hinweise zu verpassen. Einige der Geschichten der „narratorischen Apotheke“ sind, als Teil der Handlung, an passender Stelle im Buch enthalten. Die Fragen, die sie aufwerfen und beantworten, sind solche aus der ganz realen Welt; die Denkanstöße, die sie geben, verhelfen zu tieferer Einsicht.

Marvin stammt aus einem atheistischen Elternhaus und hat mit Religion oder gar Gott nichts am Hut. Im Gegensatz zu seinem neuen Arbeitgeber Rasmus-Salomo Eichdorff, der eine recht feste Meinung dazu zu haben scheint. So gefestigt, daß selbst Geistliche, die an ihrer Berufung zweifeln, zu ihm kommen und um Rat bitten. Recht schnell wir klar, daß Eichdorff wirklich Hilfe gebrauchen kann, und als Büchernarr hat Marvin mehr oder weniger die Stelle seines Lebens gefunden.

Dabei bleibt es naturgemäß nicht aus, daß man miteinander ins Gespräch kommt. Wobei „Gespräch“ hier vor allem auch bedeutet, daß Eichdorff Fragen stellt, die Marvins bisherige Denk- und Lebensart durchaus infrage stellen können, ohne ihm jedoch fertige Antworten zu liefern. Diese finden sich eher versteckt in den ins Buch eingestreuten Geschichten, die mal einem Kunden des Antiquariats, mal Marvin (und in jedem Fall auch dem Leser) erzählt werden.

Diese Geschichten machen einen ganz besonderen Reiz des Buches aus. Zum einen passen sie genau zur jeweiligen Fragestellung, zum anderen sind sie Kunstwerke für sich und ich würde mir ein „Märchenbuch“ mit diesen und weiteren in der Art wünschen. Thomas Franke gelingt es, wesentliche Fragen so geschickt in solche märchenartigen Erzählungen zu verpacken, daß man gebannt Zeile um Zeile liest, sich fragt, wo das eigentlich hin führen soll, quasi in ein Buch im Buch eintaucht, bis plötzlich des Pudels Kern überdeutlich vor Augen steht.

Vor allem „Der goldene Schlüssel“ hat es mir dabei angetan, fühlte ich mich dabei doch weit zurück in meine Kindheit versetzt, als uns unsere Mutter, oft mit einer Träne in den Augen, Märchen von Hans Christian Andersen vorlas. Erst viele Jahre, vermutlich als mir selbst die ersten Tränen bei der „Schneekönigin“ oder dem „Weihnachtsbaum“ kamen, habe ich verstanden weshalb. Und ähnlich erging es mir hier. Schon alleine diese eine Geschichte ist es wert, das Buch zu lesen (was nun andererseits nicht heißt, daß man den Rest überspringen sollte).

Als ich das Buch erstmals in die Hand nahm fragte ich mich, wie man so eine Geschichte auf nur rund 280 Seiten erzählen könne. Der Autor hat bewiesen, daß man das kann. Daß man weder eine Seite weniger noch eine mehr braucht, denn am Ende angekommen, ist die Geschichte in der Tat auserzählt und zu einem runden Abschluß gekommen. Nur eine Sache hätte ich mir am Ende etwas deutlicher gewünscht, aber die Andeutungen dürften die richtige Richtung weisen.

Nicht zu Ende jedoch ist meine Beschäftigung mit diesem Buch, das ich mit Sicherheit bald nochmals lesen muß. Denn es steckt mehr drin, als sich beim ersten Lesen erschließt. Die einzigen Risiken und Nebenwirkungen der im Buch erwähnten „Medikamente“ der sind übrigens Hilfen zur (Selbst-)Erkenntnis. Wer mehr wissen will, möge sich vertrauensvoll ins Haus der Geschichten - Antiquariat und narratorische Apotheke begeben.

 

Kurzfassung

Sollte es noch eines Beweises bedurft haben, daß Geschichten heilende Funktion haben können: mit diesem Buch ist er erbracht. Ein sehr lesenswerter Roman, in dem „so ganz nebenbei“ grundsätzliche Lebens- und Glaubensfragen thematisiert werden.

 

 

Über den Autor

Thomas Franke ist Sozialpädagoge und bei einem sozialen Träger für Menschen mit Behinderung tätig. In seiner Freizeit schreibt er gern witzige Geschichten und Fantasy-Romane. Er lebt mit Frau und seinen beiden Kindern in Berlin.

Bibliographische Angaben

284 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag (Wendeumschlag, 2 verschiedene Motive!)
Verlag: Gerth Medien GmbH, Aßlar 2010, 4. Auflage 2012

Eine Aufstellung der Bücher von Thomas Franke findet sich > hier auf christliche-literatur.com < .

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